Fahrenheit 451

The ‘Perlentaucher’ website recently published a text by Wolfram Schütte “On the Future of Reading”. It was a flamboyant plea for a critical online journal that could be symbolically known as “Fahrenheit 451”.

A lively debate followed, see https://www.perlentaucher.de/essay/perlentaucher-debatte-literaturkritik-im-netz.html

Digital media threaten the traditional sinecures yet also offer opt-outs from awkward predicaments. Wolfram Schütte’s plea is for the latter, even if he somehow feels uneasy at the thought of digital media. He wants a web-based literary criticism journal – “even if it’s in the form of a newspaper that’s available online”. Finally, something has to be done! That’s the undertone of his suggestion, even if it means resorting to routes that were previously frowned upon.

“Reading is a cultural technique – reading books and newspapers even more so”, Schütte argues. Of course, this is true. We want to respect this, albeit no longer forgetting that reading on the web is also a cultural technique that entire generations are now learning intuitively.

The suggestion is interesting on two counts. Firstly, because the crisis of German literary criticism has now also reached the upper echelons of literary criticism. Secondly, because the elite now swears by the digital alternative which was until recently disregarded as a tool for amateurs.

There’s a third point arising from all of this. The intention is to do something innovatively that has already been around for a long time, based on the principle – ‘it’s a new idea, if the right people have come up with it’. Wolfram Schütte’s idea makes it appear as though there is originality where others have long since practised this. It’s just that these ‘others’ happen to be the wrong community.

It’s an entirely different thing to explain that this suggestion makes no mention of the website www.literaturkritik.de – a platform that has archived countless thousands of critical reviews. These have been contributed by professional critics who not only work for renowned feuilletons in elite newspapers and serious radio stations, but also for more minor media outlets or even as freelancers. Subscription costs 20 Euros per annum. There are also other examples like www.viceversaliteratur.ch in Switzerland, or a high number of extremely well-informed literature blogs on the web.

Beggars can’t be choosers. Now at long last – 25 years after the start of the Internet – the elite of literary criticism succumbs to a medium, which was hitherto regarded suspiciously, only to reenergize it in the spirit of tradition. Maybe it’s precisely this spirit that is no longer enough. Maybe something will change with the choice of medium – formally or stylistically. Opening the visor also means expanding horizons and taking on board new opportunities.

That’s not to oppose Wolfram Schütte’s initiative, indeed maybe it will even succeed in correcting a grievance that is written into the structure of online critique: rarely are any fees offered, and if so they tend to be at low rates. The majority of those who write must be compelled to do so by the subject. At least having made the suggestion the issue of payment could be raised for discussion from among the group of worthy critics. At the same time, the expression “a newspaper that’s available online” fuels the suspicion that nothing should actually change other than traditional criticism should survive in a new format in order to avoid being mothballed.

Translated by Suzanne Kirkbright

***

Auf der Webseite des Perlentauchers ist unlängst ein Text von Wolfram Schütte erschienen: „Über die Zukunft des Lesens“, ein flamboyantes Plädoyer für ein kritisches online-Journal, das symbolisch bedeutsam „Fahrenheit 451“ heissen könnte. Davon angeregt wurde eine rege Debatte. >https://www.perlentaucher.de/essay/perlentaucher-debatte-literaturkritik-im-netz.html>

Die digitalen Medien bedrohen die traditionellen Pfründe, sie bieten aber auch Auswege aus Notlagen. Wolfram Schütte plädiert für letzteres, auch wenn ihm die digitalen Medien irgendwie nicht ganz geheuer scheinen. Er wünscht sich ein Journal für Literaturkritik im Netz, “wenn auch in Form einer Zeitung, die online steht”. Es muss endlich etwas getan werden! – ist unterschwellig aus seinem Vorschlag herauszuhören, selbst wenn dafür bislang verpönte Wege einzuschlagen sind.

“Lesen ist eine Kulturtechnik, Buch- und Zeitungslesen erst recht”, hebt Schütte an. Das stimmt natürlich, wir wollen sie auch hoch in Ehren halten – darob aber nicht länger vergessen, dass Netzlesen ebenfalls eine Kulturtechnik ist, die gerade von ganzen Generationen intuitiv erlernt wird.

Der Vorschlag ist in doppelter Hinsicht interessant. Zum einen, weil die Krise der deutschen Literaturkritik nun auch die elitären Höhen der Literaturkritik erreicht hat, und zum anderen, dass diese nun auf jenen digitalen Ausweg schwören, der bis anhin eher als Dilettantenstadel missachtet wurde.

Ein Drittes fällt bei alledem erst recht auf: man möchte innovativ etwas bewirken, dass es längst schon gibt, frei nach dem Motto: Erfunden ist’s erst, wenn’s die Richtigen erfunden haben. Wolfram Schüttes Idee erweckt den Anschein, dass sie an einem Ort originell sein will, wo andere längst praktizieren, nur handelt es sich bei diesen anderen um die falsche Community.

Wie anders ist es zu erklären, dass in dem Vorschlag keine Rede ist von literaturkritik.de. Von einer Plattform, die etliche Tausend Kritiken gespeichert hat, verfasst von professionellen Kritikern und Kritikerinnen, die nur nicht für die nobeln Feuilletons in den Elitezeitungen und dritten Radioprogrammen arbeiten, sondern für mindere Medien oder gar freischaffend. Das Abo kostet 20 Euro im Jahr. Es wären andere Beispiele zu nennen, in der Schweiz viceversaliteratur.ch, oder eine Vielzahl von äusserst sachverständigen Literaturblogs im Netz.

In der Not frisst der Teufel fliegen. Jetzt endlich, im Jahr 25 des Internets, verfällt auch die Crème der Literaturkritik auf ein bisher eher beargwöhntes Medium, um es neu zu beleben aus dem Geist der Tradition. Vielleicht aber reicht exakt dieser Geist dafür nicht mehr. Vielleicht verändert sich mit der Wahl des Mediums etwas, formal oder stilistisch. Das Visier öffnen hiesse auch, den Horizont weiten und neue Möglichkeiten mit zu bedenken.

Das spricht nicht gegen die Initiative von Wolfram Schütte, ja vielleicht gelingt es ihr sogar, einen Missstand zu korrigieren, der der online-Kritik strukturell einbeschrieben ist: Honorare gibt es selten und wenn, dann eher knapp bemessen. Es muss den meisten, die da schreiben, zwangsläufig um die Sache gehen. Zumindest könnte mit dem Vorschlag aus der Gruppe der honorablen Kritik die Abgeltung zur Diskussion gebracht werden. Zugleich aber nährt die Formulierung der „Zeitung, die online steht” den Argwohn, dass eigentlich nichts ändern soll ausser dass die traditionelle Kritik in neuem Gefäss überleben soll, auf dass sie nicht ganz in Vergessenheit gerät.

Beat Mazenauer

Beat Mazenauer, born 1958, Swiss literary critic and networker. He is director of SwissLiterature (http://www.swissliterature.ch).

Beat Mazenauer, geboren 1958, Schweizer Literaturkritiker und -netzwerker. Er ist Leiter des Webportals LiteraturSchweiz (http://www.literaturschweiz.ch).

Beat Mazenauer, born 1958, Swiss literary critic and networker. He is director of SwissLiterature (http://www.swissliterature.ch).

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